Autor: Martha und Adam,
"Liebt einander!" 2/2009 → Die Bewegung der Reinen Herzen
Selbst als wir uns noch nicht kannten, beteten wir bereits füreinander.
Am Anfang unseres gemeinsamen Weges wurden wir auf einen Satz aus der
Bibel aufmerksam gemacht, der für uns zum Lichtblick und Wegweiser wurde:
„Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten
unter ihnen“ (Matthäus 18, 20).
Wir beschlossen also, unsere Verbindung, unser Glück innerhalb dieses
außergewöhnlichen ehelichen Dreiecks gemeinsam mit Jesus aufzubauen. Ihm
überließen wir die Führung. Wir haben verstanden, was die Worte „versammelt
im Namen Jesu“ für uns bedeuten: Wir sind durch das Ehesakrament verbunden.
Im täglichen Leben geht es ganz konkret um die Umsetzung des neuen Gebotes
Jesu, welches lautet: „(…) Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“
(Johannes 15, 12).
Wenn wir uns so lieben, dann ist Gott wahrhaft bei uns anwesend, Er ist
das Band unserer Einheit. Er verbindet uns zu einem glücklichen Ehepaar,
zu einer glücklichen Familie. Wir wollen ein paar Beispiele aus unserem
gemeinsamen Eheleben anführen, die zeigen, wie wir versucht haben, nach
dem Beispiel Jesu zu lieben, und welche Früchte das gebracht hat.
Martha: In einer bestimmten Ehe wurde immer wieder dieselbe Leier wiederholt:
Ich räume auf, koche, wasche, kümmere mich um die Kinder und er kommt
seit einem Jahr nicht dazu, den Hängeboden zu reparieren, das Zimmer anzustreichen
usw. Eine ganze Liste voll mit Erwartungen. Diese Ehe existiert nicht
mehr. Bei uns hat der Hängeboden verschiedene Etappen durchgemacht. Wir
mussten eine bedingungslose Liebe erlernen. Ich selber habe in meinem
Umfeld folgendes Ehemodell gesehen: sie eine aufopfernde Ehefrau, er ein
Mann der Wissenschaft und des gesellschaftlichen Engagements. Ich dachte
mir nur: Oh nein, bei mir wird es in der Ehe bestimmt nicht so sein. Ich
werde meinen Mann garantiert nicht so bedienen und schon gar nicht seine
schmutzigen Socken wegräumen. So dachte ich mir, dabei war ich zu dieser
Zeit bereits sehr verliebt. Kurz vor Ostern, am Gründonnerstag, ging ich
zusammen mit meinem Verlobten zum Gottesdienst und hörte dort bei der
Lesung aus dem Evangelium die Worte Jesu: „Wenn nun ich, der Herr und
Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die
Füße waschen“ (Johannes 13, 14).
Und in einem einzigen Augenblick verstand ich, dass es keine Vorbehalte,
keine Bedingungen und keine Tätigkeiten geben darf, die ich nicht auszuführen
bereit bin, weil es mir gerade nicht passt oder ich mir meine Ehe anders
vorgestellt habe.
Adam: Die Liebe Gottes zeichnet sich besonders dadurch aus, dass Gott
alle ohne Ausnahme liebt. Zu Anfang unserer Ehe bezogen wir eine kleine
Wohnung. Meine Schwiegermutter wünschte uns bei ihrem ersten Besuch, dass
sich jeder Gast bei uns wohlfühle. Wir haben uns dies sehr zu Herzen genommen.
Martha: Ganz wichtig ist in einer Ehe und Familie die Frage nach dem
Maß der Liebe. Wann kann ich sagen: Mehr muss ich nicht tun? Jesus hat
für uns sein Leben hingegeben. Wir sollen bereit dazu sein, dasselbe zu
tun. Ähnlich wie Maria ihr Leben Jesus hingegeben hat, soll ich meine
Zeit, meine Kräfte, Fähigkeiten meinem Mann und meinen Kindern im Alltag
schenken. Dazu sind möglicherweise keine größeren Opfer nötig, aber vielleicht
die Bereitschaft, auf eine Karriere zu verzichten. Die Medizin war schon
immer meine Leidenschaft. Jetzt haben meine Freundinnen oftmals schon
eine Zusatzqualifikation und Doktortitel, ich dagegen nur ein abgeschlossenes
Studium.
Die Aufopferung des eigenen Lebens im Alltag ist schwer und übersteigt
oft meine Möglichkeiten. Es ist schon vorgekommen, dass ich Schneidebrett
und Messer wutentbrannt auf den Boden geschmissen habe, weil ich wieder
Schnitten für meinen Mann machen musste. Sicherlich war ich damals sehr
müde, aber es gibt keine Entschuldigung, ich habe einfach zu wenig geliebt.
Wenn man sein Leben aus Liebe hingibt, dann bedeutet das auch, dass man
auf die Eigenliebe, auf seine Wünsche und Gewohnheiten verzichtet.
Adam: Sein Leben für jemanden anderen hinzugeben bedeutet, dass man den
eigenen Egoismus überwindet, auf sein „Ich“ verzichtet. Es war an einem
Abend, als wir beide vollkommen geschafft waren und die Küche voll von
schmutzigem Geschirr war. Ich als Chemiker habe von Anfang an bei uns
zu Hause die Rolle des Abspülers übernommen. Doch an diesem Abend wollte
ich das Geschirr einfach liegen lassen und den Kopf nur noch auf mein
Kissen legen. Dies bedeutete jedoch, dass ich das Geschirr Martha überlassen
hätte. Und so sagte ich mit Sarkasmus zu mir selber: „Was soll’s, ich
soll doch mein Leben für sie hingeben, was ist da schon das bisschen Spülen
gegen?“
Martha: Wenn wir darüber sprechen, das Leben füreinander hinzugeben,
nähern wir uns dem Geheimnis des Leidens. Wenn man verliebt ist, kann
man sich gar nicht vorstellen, wie viel Schmerz man sich in Zukunft gegenseitig
zufügen kann. Es kommt eine Zeit im Leben, wo wir entdecken, dass wir
uns ohne die Hilfe Gottes nicht verstehen werden. Obwohl uns große Gefühle
verbinden, obwohl wir wissen, wie wir miteinander umzugehen haben, wie
wir uns aufrichtig unsere Erlebnisse mitteilen sollen, verstehen wir uns
nicht. Zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigt sich, dass wir ohne Gottes
Hilfe nicht mehr vorankommen. Hier eröffnet sich die Chance, die aus dem
Ehesakrament strömenden Gnaden besonders intensiv zu erfahren. Wir haben
gelernt, dass die Konzentration auf die eigenen Gefühle uns nicht weiterbringt.
Doch die Überschreitung des Schmerzes durch den einfachen Dienst am Nächsten
– mit dem Ehegatten beginnend – gibt Kraft, alles durchzustehen.
Adam: Eine besondere Eigenschaft der ehelichen Liebe ist ihre Transparenz,
ihre Reinheit. Ich habe da so eine Theorie, die besagt, dass es im Leben
um strategisch wichtige Entscheidungen geht: Man muss wissen, was man
sucht. Es ist gut, wenn die Frau, die mir gefällt, darauf verzichten kann,
Begierde zu wecken. Und der Mann in der Lage ist, sein Verlangen zu beherrschen.
Diese Fähigkeiten waren uns im Leben sehr behilflich.
Wir haben drei Töchter. Als die Älteste unterwegs war, ging es sowohl
dem Kind wie auch der Mutter sehr gut. Doch bei den folgenden Schwangerschaften
trat sehr schnell die Gefahr einer Fehlgeburt auf. Der Arzt empfahl Martha,
im Bett zu liegen und natürlich sexuell vollkommen enthaltsam zu leben.
In diesem Augenblick übernahm ich für ein paar Monate die Rolle des alleinerziehenden
Vaters, der sich um seine momentan nicht arbeitsfähige Frau kümmerte und
dabei auch seiner eigenen beruflichen Arbeit nachgehen musste. Ein Aspekt
dieser Situation war, dass wir neue Formen der Kontaktaufnahme finden
mussten – andere Formen, unsere natürliche Sehnsucht nacheinander zu stillen,
und zwar durch eine schwesterlich-brüderliche Art der Herzlichkeit und
Zärtlichkeit, die an die Stelle der bräutlichen Zuneigung trat. Es sah
so aus, dass ich, nachdem ich nach der Arbeit nach Hause kam, mich für
das Wohlbefinden meiner Frau interessierte, ihr genau zuhörte, ihr Blumen
schenkte (meine Frau mag das – sie ist sehr weiblich), sie herzte, ihr
trotz Erschöpfung, denn zu dieser Zeit war ich sehr erschöpft, in die
Augen schaute. Obwohl ich wie ein Roboter funktionierte, um alle Aufgaben
zu erledigen, litt sie viel mehr als ich, denn sie konnte nur daliegen
und sehen, wie viel noch zu tun ist, ohne eingreifen und helfen zu können.
Sie konnte höchstens die Rolle einer Sekretärin übernehmen, die ihren
Chef auf die nächsten Punkte in seinem Zeitplan erinnert: aufräumen, das
Kind abholen … Und das war auch wirklich eine Hilfe, leider aber auch
die einzige.
Es kam vor, dass die Kinder sagten: Wir wollen nicht mehr, dass keiner
da ist! Denn eine liegende Mutter, die nicht aufstehen darf, ist wie eine,
die gar nicht da ist. Bei der Bewältigung von Wut und Frustrationen, die
uns beide befallen konnten, half uns die Fähigkeit zur Kontrolle und Beherrschung
sinnlicher Wünsche, die wir während der Verlobungszeit und auch bei der
Anwendung der Natürlichen Familienplanung erworben hatten.
Martha: Für unsere Kinder war das eine sehr wichtige und natürliche Lektion
über den Schutz des ungeborenen Lebens. Sie wissen, dass auch sie ihren
Beitrag dazu geleistet haben, dass ihre Schwester auf der Welt ist. Jedes
neue Kind in der Familie bedeutet nicht nur eine Beziehung mehr, sondern
es bringt auch eine Freude mit sich, die wir so nicht erwartet hätten.
Jedes Mal, wenn ein Kind auf die Welt kommt, entdecke ich, dass es unsere
Realität um sehr viel mehr bereichert, als ich es erwartet hätte.
Um auf die Reinheit zurückzukommen, habe ich noch eine Anmerkung. Die
Reinheit ist ohne die Hilfe Gottes gar nicht möglich; denn es handelt
sich um etwas, was unsere Möglichkeiten überschreitet, da wir weder so
stark noch so vollkommen sind. Der Beichtstuhl war, ist und wird auch
immer notwendig sein. Die Gnade Gottes benötigen wir, um zu erkennen,
welche Verhaltensweise die richtige ist und diese dann ins Leben umsetzen
zu können, denn dies verlangt Selbstverleugnung. Und was ganz wichtig
ist: Reinheit besteht nicht nur im Zurückhalten und Unterdrücken von Reflexen.
Reinheit erweckt die Liebe. Sind etwa genitale Kontakte die einzige Möglichkeit,
um Liebe auszudrücken? Bestehen wir denn nur aus Körpern, haben wir keine
Fantasie oder Poesie in uns?
Im Sakrament der Ehe schenkt Gott uns eine Kraft, die bewirkt, dass die
eheliche Vereinigung nicht nur zur Freude für den Körper wird, sondern
auch Schwierigkeiten und Leiden erträglich werden und die Opferbereitschaft
steigt.
Der reine, eheliche Geschlechtsakt ist ein Zeichen für das Ehesakrament,
ein Höhepunkt der schöpferischen Liebe und Dankbarkeit. Gott hat uns so
stark miteinander verbunden, so schön und nah, dass wir uns beinah körperlich,
seelisch und emotional durchdringen. Manche bemerken diese transzendente
Dimension der ehelichen Vereinigung nicht, doch verlieren sie dadurch
nicht sehr viel? Und wofür überhaupt?