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Übersetzung deutscher Nominalkomposita aus der Fachsprache der Technik und Analyse typischer portugiesischer Entsprechungen
1. Einleitung Ein bedeutendes Wortbildungsverfahren innerhalb der fachsprachlichen Wortbildung ist das der Komposition. Die Bildung neuer Komposita im Portugiesischen hat vor allem in den letzten Jahren wachsende Produktivität verzeichnen können. Dazu beigetragen haben insbesondere technologische, wirtschaftliche wie auch sozial-politische Faktoren. Unter den Fachtermini erweisen sich Komposita als besonders produktives Wortbildungsmittel, da sie sich in besonderem Maße dazu eignen, neue Phänomene und Sachverhalte zu benennen. Die Besonderheit von Komposita liegt darin, dass sie sich oftmals, unter äußerst geringem Gebrauch verbaler Mittel, selbst erklären. Im Vergleich zu Einworttermini streben sie nach mehr Eindeutigkeit. Die Komposition ist im Portugiesischen recht vielschichtig und umfasst mehrere Verfahren, weshalb die Ermittlung des entsprechenden Äquivalents in der Zielsprache nicht immer unproblematisch verläuft. 2. Gegenstand
3. ‚Kompositum' Zu Beginn der Untersuchungen ist es zunächst notwendig, das Phänomen der Komposition definitorisch abzugrenzen. Ein Kompositum besitzt die Fähigkeit, im Grundwort den Grundbegriff und im Bestimmungswort die Merkmalseingrenzung darzustellen. Die Fachsprachen bedienen sich aus diesem Grund sehr häufig der Kompositabildung. Betrachtet man ein Kompositum aus morphologischer Sicht, so versteht man darunter ein Gefüge, dessen Komponenten auch als freie Morpheme vorkommen können. Durch Komposition werden zwei oder mehr selbstständige Wörter oder Wortstämme zu einer neuen Einheit verbunden. Komposita bezeichnen Begriffe und Sachverhalte, die sonst durch längere syntaktische Fügungen wiedergegeben werden müssten. In Bezug auf die Stellung von Determinans und Determinatum bzw. Determinatum und Determinans ist das Portugiesische (wie auch das Französische, Spanische und Italienische) durch eine progressive Determinationsabfolge gekennzeichnet, d.h. durch die Abfolge Determinatum-Determinans (z.B. pt. papel-filtro, dt. Filterpapier). Diese Konstituentenstruktur steht in Konkurrenz zur regressiven Struktur germanischer Sprachen, die durch die Abfolge Determinans-Determinatum (dt. Schaufellader, pt. pá carregadora) gekennzeichnet sind. Während die Bildung und Zuordnung von Komposita im Deutschen unkompliziert ist, da sich diese phonologisch, morphologisch, syntaktisch und semantisch von der Wortgruppe unterscheiden, sind diese Kriterien im Portugiesischen meist nicht zuverlässig (vgl. Sandmann 1986: 168 f.). Definitorisches Merkmal von Komposita ist, dass sie anders als freie Phrasen einen einheitlichen Begriff versprachlichen, der von den ihn konstituierenden Komponenten „synthetisch" und nicht bloß „additiv" zu deuten ist (vgl. Becker 2003: 208). Das Kriterium, anhand dessen die untersuchten sprachlichen Einheiten im Folgenden als Komposita bezeichnet werden, ist demzufolge deren Inhalt und nicht deren Form. Für den Übersetzungsvorgang ist die im Portugiesischen bestehende Formenvielfalt von Komposita bei einer Übertragung aus dem Deutschen von großem Interesse. In Bezug auf die Syntax von Komposita ist die Reihenfolge der einzelnen Konstituenten genau festgelegt. Das Hinzufügen eines weiteren Elements zwischen die Konstituenten eines Kompositums oder die Veränderung ihrer Reihenfolge ist nicht möglich (papel-filtro, *filtro-papel / papel-filtro qualitativo, *papel qualitativo filtro). Ein Kompositum kann demnach nur als Ganzes verändert und auch nur in seiner Gesamtheit determiniert werden. Als weiteres Kriterium für das Vorliegen eines Kompositums kann die Häufigkeit seiner Verwendung angesehen werden. Stehen einzelne Konstituenten häufig zusammen, können sie die Kategorie eines Kompositums annehmen. Dieses Kriterium kann insbesondere dann hilfreich sein, wenn eine fachsprachliche Bildung noch keine Aufnahme in ein Wörterbuch gefunden hat. 4. Möglichkeiten der Übersetzung deutscher Nominalkomposita ins Portugiesische a) Übersetzung durch N + de + N-Kompositum Präpositionale Komposita dienen in der portugiesischen Fachsprache der Technik der Präzisierung von Funktionsweisen und Verwendungszwecken. Es handelt sich bei diesem Typ der syntagmatischen Komposition um einen sehr produktiven Wortbildungstyp. Bei diesen Komposita regiert lediglich die Subordination, die in der im Portugiesischen üblichen Konstituentensequenz Determinatum-Determinans auftritt.
Komposita vom Typ N+de+N lassen sich nach rechts erweitern. In den Fachsprachen sind diese erweiterten Bildungen sehr frequent. N+de+N+de+N
b) Übersetzung durch N + [de + Binnenartikel] + N-Kompositum Präpositional gebildete Nominalkomposita können auch mit innerem Artikel auftreten. Steht der Binnenartikel, wird auf etwas bereits Bekanntes (aus dem Hintergrundwissen des Rezipienten oder aus einem Vortext) Bezug genommen. Auf diese Weise trägt der Artikel zur Monosemierung bei. Komposita ohne inneren Artikel nehmen hingegen keinen Bezug auf den Kontext.
c) Übersetzung durch N + a/com/em/por + N-Kompositum Neben den überaus produktiven Komposita mit der Präposition de nehmen Bildungen mit a ebenso einen beachtlichen Rang ein. Dies überrascht umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass es sich dabei um eine semantisch spezifizierte Präposition handelt. Als möglichen Grund für die zunehmende Produktivität der Bildungen mit a kann die Tatsache angesehen werden, dass die Präposition a in der technischen Fachsprache den Vorgang des ‚Zugreifens auf x' bzw. des ‚Sich Verbindens mit x' determiniert. Die Präposition wird häufig zur Bezeichnung der Funktionsweise technischer Geräte verwendet. In der Mehrzahl der Fälle steht sie mit dem internen Artikel zusammen.
Huppmann (1993: 135) verweist auf eine weitere Funktion der Präposition a innerhalb der Fachsprachen. Dabei handelt es sich um die Rückkehr zu ihrer ursprünglichen Funktion, und zwar der direktionalen Angabe:
Des Weiteren tritt die Präposition a auf, wenn ein Ziel oder ein Zweck bezeichnet werden soll.
In der Fachsprache der Technik zeichnet sich die Verwendung der Präposition em insbesondere bei Bildungen ab, die die Art einer Anordnung, eine Funktionsweise, das Material eines Elements bzw. seine Zusammensetzung wiedergeben.
Die Präposition por bezeichnet ein Mittel, mit dem ein bestimmter Zweck erreicht wird.
Die Präposition com steht dann, wenn es sich bei dem Determinans um ein Zubehör handelt, das konzeptuell nicht zwangsläufig mit dem Determinatum verbunden wird.
d) Übersetzung durch N+A Bei Komposita des Typs N+A liegt das für die romanischen Sprachen typische Determinationsverhältnis vor, bei dem das Determinatum dem Determinans vorausgeht. Das Adjektiv übernimmt dabei die Funktion des Determinans. In den Fachsprachen sind vor allem die von Substantiven abgeleiteten Relationsadjektive typische Erscheinungsformen. Im Gegensatz zu den qualifizierenden Adjektiven lassen sie sich in semantischer Hinsicht nicht einer Gruppe zuordnen.
e) Übersetzung durch Verkürzung der Komponentenstruktur Die Verkürzung der Komponentenstruktur in den untenstehenden Beispielen ist dadurch zu erklären, das eine große Zahl deutschsprachiger Fachtermini auf der Grundlage von germanischen Wortbildungsmustern aufgebaut ist, während die im Portugiesischen verwendeten Fachtermini vom lateinischen Wortstamm abgeleitet sind. Das Fremdwort pneumatico, ein Adjektiv, das zu der Gruppe der wissenschaftlich-technischen Kategorisierungsadjektive gehört, impliziert in Verbindung mit dem Terminus martelo, dass es sich dabei um einen 'Hammer' handelt, der mit Hilfe von 'komprimierter Luft' betrieben wird. In der deutschen Fachsprache wird jedoch der Ausdruck Pressluft verwendet. Die metaphorische Bezeichnung Baukasten wird nicht nur im Deutschen, sondern auch im Englischen als building block realisiert. Im Portugiesisischen wird die Metapher aufgelöst, an ihre Stelle tritt das abstrakte Relationsadjektiv modular.
f) Übersetzung durch Erweiterung der Komponentenstruktur In einigen Fällen zeigt sich, dass die Komponentenstruktur des deutschen Kompositums im Vergleich zur portugiesischen länger ist.
Das deutsche Kompositum Grauguss bezeichnet lediglich die Farbe und die Herstellungsweise des Materials. Das portugiesische Kompositum ferro fundido cinzento verweist neben Farbe und Herstellungsweise auch auf den Stoff (das chemische Element). Bei dem Beispiel Emissionshandel ist das Portugiesische ebenfalls genauer, es wird ja nicht einfach mit Emissionen gehandelt, sondern mit den Emissionsrechten. Diese verkürzten und "ungenauen" Komposita sind im Deutschen durchaus üblich. Bei der Übersetzung ins Portugiesische jedoch ist eine exakte Recherche erforderlich, um abzuklären, ob die verkürzte Form in der Zielsprache realisierbar ist oder erweitert bzw. präzisiert werden muss. g) Auflösung des Kompositums in der ZS Im deutschen Fachwortschatz der Technik finden sich zahlreiche
Bei der Übersetzung der deutschen Fachtermini Schleifmaschine, Mischmaschine, Bohrmaschine etc. kommt es ebenfalls zu einer Aufhebung des Kompositums im Transferprozess: vgl. rectificadora, misturadora bzw. perfuradora. In diesen Fällen sind die portugiesischen Äquivalente des deutschen Kompositums von Verben abgeleitete Substantive, bei denen das Suffix -dora den konkreten Bezug zu dem zugrundeliegenden Vorgang herstellt. Diese Bildungen sind im Gegensatz zu den oben genannten Simplizia konkreter und haben einen starken Bezug zum Reellen. Das Suffix -dora steht für ‚máquina' (Beispiel: máquina à rectificar >> rectificadora). h) Änderung des Determiniertheitsgrades Bei einigen deutschen Komposita kann es beim Transferprozess erforderlich sein, in der Zielsprache einen höheren Determiniertheitsgrad zum Ausdruck zu bringen. So würde bspw. die Übersetzung des deutschen Kompositums Qualitätsprodukt mit produto de qualidade für einen portugiesischen Rezipienten nicht so deutlich wie im Deutschen implizieren, dass es sich dabei um ein hochwertiges Produkt handelt. Die Anwendung des höherern Determiniertheitsgrades im Portugiesischen ist eindeutiger (produto de alta qualidade), wird jedoch in den gegenwärtigen Fachsprachen nicht immer bevorzugt. Es findet sich daher oftmals das Kompositum produto de qualidade. Die Änderung des Determiniertheitsgrades lässt sich auch am folgenden Kompositum nachweisen:
Die Komponente Leistung im deutschen Kompositum Leistungselektronik sagt nichts Konkretes über die tatsächliche Funktion dieser Art von Elektronik aus. Bei dieser Elekronik handelt es sich um Geräte, die dazu dienen, schwache Signale in hohem Maße zu verstärken (zu potenzieren). Das portugiesische Kompositum ist deshalb stärker determiniert. i) Hervorhebung anderer Merkmale Folgende Beispiele sollen in dieser Kategorie als Betrachtungsgrundlage dienen:
Ein Thermoelement ist ein Temperaturmessfühler, der aus einem Elektrodenpaar besteht (en. thermo-couple). Im Portugiesischen wird im Gegensatz zum Deutschen der innere Aufbau des Elements, und zwar das Vorliegen gepaarter Messelektroden, hervorgehoben. Das deutsche Kompositum Mehrmotorenantrieb besteht aus den drei Komponenten Pronomen+Nomen+Nomen und informiert über die konkrete Beschaffenheit der Baugruppe. Im Portugiesischen gibt das Relationsadjektiv seccional zunächst nur wieder, dass es sich um eine untergliederte Baugruppe handelt. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei der Baugruppe um eine aus mehreren Unterbaugruppen (Motoren) bestehende Einheit handelt, ist nur durch Einbeziehung des Fachwissens möglich. Mit dem Kompositum Drehstromasynchronmotor wird im Deutschen die Funktionsweise des Motors ausgedrückt (asynchrone Erregung). Im portugiesischen Terminus spiegelt sich die Art des Stromes wider, der verwendet wird, um den Motor anzutreiben. j) Variantenvielfalt und sprachliche Unterscheidung in der Zielsprache Dieser Prozess lässt sich in 2 Hauptbereiche untergliedern: Fall 1: Aufgrund der im Portugiesischen weniger stark ausgeprägten Standardisierung der Begriffssysteme in den technischen Fachgebieten findet man hier nebeneinander bestehende gleichwertige Varianten.
Fall 2: Im Deutschen bezeichnet die abstrakte Komponente Technik zugleich 3 Sachverhalte: 1) Wissenschaft 2) technische Fachdisziplin 3) das Gerät an sich. Im Portugiesischen muss hier differenziert werden. Das deutsche Konzept Technik wird im Portugiesischen mit 3 verschiedenen Termini wiedergegeben.
Im Folgenden sollen einige Beispiele in Zusammensetzung mit Anlage für die sprachliche Unterscheidung im Portugiesischen aufgeführt werden. Für Anlage in der Bedeutung einer ‚technischen Anlage' findet man im Portugiesischen im Wesentlichen drei Entsprechungen: 1) sistema: für Anlage in ihrer funktionalen Bedeutung
2) equipamento: bezieht sich auf die Einrichtung und die Gerätschaften
3) instalação: bezeichnet die Anlage in ihrer räumlichen Ausdehnung
5. Fazit Probleme bei der Übersetzung der deutschen Komposita ins Portugiesische treten vor allem dann auf, wenn die Beziehung zwischen Determinatum und Determinans nicht exakt bestimmbar ist, wie z.B. bei Tankstellenausrüstung (pt. equipamentos para estações de serviço). In diesen Fällen kann die im Portugiesischen typische Bildungsform mit de nicht verwendet werden, da diese das Verhältnis zwischen Determinans und Determinatum weitgehend exakt determiniert. Ein weiteres Problem stellt die Übersetzung von Komposita dar, deren Komponenten abstrakte Zustände, Vorgänge und Sachverhalte bezeichnen. Während die Komponenten im Deutschen einfach aneinandergereiht werden, erfolgt im Portugiesischen eine explizitere Wiedergabe der Bestandteile. Die Beziehungen zwischen den Komponenten werden im Portugiesischen wesentlich exakter beschrieben. Um eine Übersetzung realisieren zu können, benötigt der Übersetzer erstens technisches Fachwissen und zweitens linguistisches Wissen über die Bildungskonventionen im Portugiesischen. Diese Problematik setzt dann auch die kontrastiv linguistische Betrachtungsweise in den Kontext textlinguistischer Überlegungen. Bibliografie:
Published - October 2008
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