Autor: ks. Andrzej Trojanowski TChr,
"Liebt einander!" 2/2009 → Katholische Kirche
„Und das Wort ist Fleisch geworden“ – das ist die Wahrheit über die Krippe
von Bethlehem, aber sie verwirklicht sich auch unter einer anderen Gestalt:
„Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben (…)“
(Johannes 6, 54).
Der Erlöser weiß, dass wir schwache Menschen sind und schwach bleiben,
dass wir jeden Tag gezwungen sind, mit der eigenen Unvollkommenheit zu
kämpfen, deshalb bietet Er uns eine wahrhaft göttliche Hilfe an. Wie unser
irdischer Leib sein tägliches Brot benötigt, so braucht auch das göttliche
Leben in uns Nahrung: „(…) Ich bin das Brot, das vom Himmel herabgekommen
ist“ (Johannes 6, 41). In jedem,
der Jesus als das tägliche Brot in sich aufnimmt, erfüllt sich täglich
das Geheimnis der Weihnacht, das Wunder vom Wort Gottes, das Fleisch geworden
ist.“ (hl. Edith Stein)
Die kleine Kapelle der Schwestern wird seit einigen Jahren von vielen
Menschen aufgesucht und in letzter Zeit gewinnt die Bewegung an Intensität.
Es kommen hauptsächlich Menschen, die mit ihren seelischen Problemen und
ihrem Gefühl des Verlorenseins woanders keine Hilfe finden können. Die
Schwestern sprechen mit jedem und beten vor allem vor dem Allerheiligsten
Sakrament. Das Fürbittgebet findet vor dem geöffneten Tabernakel statt,
aus dem die heilende Kraft strömt. Auf einmal zeigt es sich, dass Christus
in der Gestalt der Hostie Wunder vollbringt: Er befreit von Depressionen,
Selbstmordgedanken und Süchten, heilt seelische Verletzungen und Komplexe
… Muss man wirklich zunächst in Not geraten sein, um diese ungewöhnliche
Quelle der Lebensenergie zu entdecken? Muss man zuerst Zusammenbrüche,
Einsamkeit, Abhängigkeit von Magie, Medikamenten, Alkohol erfahren haben,
um zu glauben und sich durch die aus der Hostie strahlende Liebe emporheben
zu lassen? Die Schwestern wissen, dass sie selber niemandem helfen können;
sie wissen, dass die inneren Heilungen ein Beweis für die Barmherzigkeit
Gottes sind, der in der Hostie lebt und wirkt.
Menschen, die zu den Schwestern kommen, um sich einen Rat zu holen, erfahren,
dass das, was in ihnen geschieht, in jeder, auch in ihrer eigenen, Kirche
möglich gewesen wäre. Doch wo war ihr Glaube? Wo der Wunsch nach Anbetung?
Die Schwestern wissen auch, dass sie lediglich an der Wiederentdeckung
der mächtigsten Kraft der geistigen Auferstehung, die sich ganz in unserer
Nähe befindet, teilhaben.
Es lassen sich diesem Beispiel noch weitere Beobachtungen hinzufügen.
Man braucht kein großer Geschichtskenner zu sein, um Folgendes feststellen
zu können: Jedes politische System, das auf einer atheistischen Weltanschauung
aufgebaut war, führte früher oder später zu Bürgerkämpfen und Mord. Nicht
nur in den postkommunistischen Ländern, sondern auch in Frankreich oder
Spanien stoßen die Historiker bis zum heutigen Tage auf Spuren verschiedener
Verbrechen, die im Namen von „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ begangen
wurden … Man sollte sich nichts vormachen: Weder ein Gesellschaftsvertrag,
noch eine Rechtsprechung oder ein Strafgesetz können ein Garant für den
Frieden zwischen den Menschen sein und ihnen gegenseitige Toleranz und
Respekt beibringen. Leider besitzen die menschliche Gerechtigkeit und
Liebe eine gemeinsame, grundlegende Schwäche: Beide können niemals völlig
selbstlos sein. Aus dieser Schwäche resultiert der Drang nach der Unterordnung
des anderen und von da sind es nur ein paar Schritte zur gegenseitigen
Verletzung. Nur eine selbstlose Liebe verletzt niemanden. Doch wer von
uns wäre dazu fähig? Uneigennützigkeit in guten Werken kann man nur von
Gott lernen, der als einziges Wesen jeden mit einer vollkommenen, reinen
Liebe liebt. Ein Beweis dafür – und zugleich eine unerschöpfliche Quelle
für jeden von uns - ist Gott selber in der Eucharistie. Es lohnt sich
anzumerken, dass die für die moderne Gesellschaft typische Krise der Uneigennützigkeit,
die von einem allgemeinen Konkurrenzdenken und der Sorge nur um das eigene
Wohlergehen begleitet wird, als Folgeerscheinung einer tief gehenden Langzeit-Verweltlichung
angesehen werden kann. Wie weit kann ein Fluss fließen, wenn seine Zuflüsse
schrittweise abgeschnitten werden?
Einige Auswirkungen solch einer methodischen Vorgehensweise: In der „modernen“
Gesellschaft gilt der Glaube an Gott als rückständig, der Glaube an Horoskope,
Magie, Wahrsagerei dagegen als fortschrittlich. Gleichzeitig wird in einem
Land wie Frankreich ein Rekordhoch bei dem Verkauf von Antidepressiva
erreicht. Das Fehlen der Bindung an Gott führt zum Verlust zwischenmenschlicher
Bindungen, selbst in einem Land, in dem die Schlagworte von Brüderlichkeit
und Solidarität seit über 200 Jahren die Sprache der Politiker beherrschen
…
Trotz alldem stehen die Zentren der eucharistischen Anbetung nicht gerade
im Mittelpunkt des Interesses – wenigstens nicht bei den Menschen, die
davon überzeugt sind, dass unser Glück an der Börse und in den Spielhallen
entsteht. Hierbei ist es leicht, einer Illusion zum Opfer zu fallen und
nicht zu bemerken, dass eine menschenfreundliche und gute Realität in
der Stille entsteht, in der Kontemplation, in der Annahme von Liebe und
Frieden, die aus der Eucharistie fließen. In den Strahlen der Eucharistie
sieht die Welt irgendwie anders aus. Es zeigt sich, dass es nicht unbedingt
die Helden der Schlagzeilen und Titelblätter sind, die die Hauptrollen
in der Welt spielen. Diese gehören vielmehr denjenigen Menschen, die auf
das Wort Gottes hören und die Absichten Gottes für die heutige Welt erfüllen.
Könnten wir uns lediglich auf die Aktivisten, die einzig und allein ihre
eigenen Ideen und Ambitionen verwirklichen, verlassen, dann hätten wir
wahrlich nichts zu lachen. Glücklicherweise ist dem nicht so …
Irland: An die 60.000 Menschen aus 78 Gemeinden nehmen einmal wöchentlich
an der Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes teil. So währt die Anbetung
unausgesetzt Tag und Nacht. USA: Die Einwohner eines der am meisten von
Verbrechen heimgesuchten Viertels von Los Angeles beschließen, dem Beispiel
Pater Traynors folgend, eine Stunde wöchentlich vor dem Allerheiligsten
zu verbringen. Nach einigen Jahren fällt die Verbrechensquote unter den
Durchschnitt. Die Einwohner benachbarter Viertel schließen sich nach diesem
Erfolg an und organisieren ebenfalls eine immerwährende Anbetung. Seit
dem Jahre 1986, d.h. ab dem Augenblick, als der Heilige Vater dieser Initiative
seinen Segen erteilte, verbreitet sich die Laienbewegung der Anbetung
des Allerheiligsten Sakramentes über die Grenzen der USA hinaus und erreicht
Länder Mittelamerikas.
Es ist etwas sehr Wichtiges geschehen: Wir haben Briefe von Lesern erhalten,
die sich dieser Bewegung der immerwährenden Anbetung anschließen wollen.
Würde tatsächlich bei uns eine Menschenkette entstehen, die regelmäßig
einen Teil ihrer Zeit vor Jesus in der Hostie verbringt, dann wäre dies
ein wertvolles und außergewöhnliches Unternehmen, denn man schöpft aus
der nie versiegenden Quelle der Liebe, die zu unserem geistigen Wachstum,
für unsere und anderer Menschen Erlösung, absolut notwendig ist. Es wäre
auch eine hervorragende Antwort auf die Zeichen der Zeit. In der Welt
geschieht nämlich sehr viel Böses, aber wir besitzen andererseits sichere
Beweise dafür, dass Gott sich um uns kümmert.
Einer dieser Beweise ist eben die Erneuerung des eucharistischen Kultes,
vor allem in diesen Ländern, die sich aufgrund eines tief reichenden und
schon lange Zeit dauernden Verweltlichungsprozesses von dem größten Schatz
– der Eucharistie – entfernt haben. Die Rückkehr zur Ausstellung des Allerheiligsten
Sakramentes in den Herzen der Städte, im Zentrum unserer Zivilisation,
ist Tatsache geworden: Man braucht nur nachzuzählen, wie viele Anbetungsorte
in Paris und in anderen großen Städten Frankreichs in den letzten Jahren
entstanden sind. Und hat nicht gerade dieses Land die längste und „hervorragendste“
Tradition in Europa, wenn es darum geht, den Glauben aus dem gesellschaftlichen
Leben zu entwurzeln? Umso großartiger ist es, dass wir gerade dort eine
wahre Explosion von Gemeinschaften beobachten können, die sich um das
Geheimnis Emanuels, des „Gottes, der mit uns ist“, versammeln.