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“Unwörter” der deutschen Sprache
Das "Unwort des Jahres" wird seit 1991 jährlich gewählt. Eine aus Sprachwissenschaftlern bestehende unabhängige Jury an der Universität Frankfurt am Main stützt sich bei der Auswahl des "Unwortes" auf Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die aufgefordert sind, sprachliche Missgriffe zu nennen, die im jeweiligen Jahr besonders negativ aufgefallen sind. Vorschläge werden während des ganzen Jahres entgegengenommen, die intensive Sammelphase liegt aber jeweils zwischen Oktober und Anfang Januar. Gesucht werden Wörter und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen. Die Vorschläge können aus allen Bereichen der öffentlichen Kommunikation stammen, aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Technik, Wissenschaft, Kulturinstitutionen oder Medien. Die Aktion "Unwort des Jahres" will für mehr sachliche Angemessenheit und Humanität im öffentlichen Sprachgebrauch werben. Zu diesem Zweck wird der deutlichste sprachliche Mißgriff als "Unwort des Jahres" gekennzeichnet, aber auch weitere Wörter und Formulierungen können als "Unwörter" gerügt werden. Die Rügen sollen in erster Linie als Anregung zu mehr sprachkritischer Reflexion verstanden werden, eine Zensur wird nicht beabsichtigt. Die bisherigen "Unwörter" (in Klammern die verkürzte offizielle Begründung der Jury) waren: 1991 ausländerfrei (fremdenfeindliche
Parole in Hoyerswerda); Der in deutschen Medien nur halb übersetzte Begriff Kollateralschaden aus der offiziellen Nato-Berichterstattung lenkte laut Begründung der Jury "mit seiner imponierenden Schwerverständlichkeit vom schlimmen Inhalt dieser Benennung ab" und trieb die vielfältigen Versuche auf die Spitze, das Vorgehen auf dem Balkan in ein freundlicheres Licht zu rücken. Dazu gehörte u.a. auch, Bombardements zu "Luftschlägen" und den Krieg insgesamt zum bloßen Kosovo-"Konflikt" herunterzuspielen. Vertreibungen - zuletzt der Kosovo-Serben - wurden als "Völkerverschiebung" umschrieben. Im Jahr 2000 wurde u. a. der Begriff Separatorenfleisch gerügt, der zwar seriös klingt, im Zusammenhang mit BSE-Verdacht aber gerade deshalb eine besonders unangemessene Bezeichnung von für den Menschen gefährlichen Schlachtabfällen darstellt. Unwort des 20. Jahrhunderts: Menschenmaterial Neben dem "Unwort des Jahres 1999" wählte die Jury auf der Grundlage der mehrjährigen Sammlung von Unwort-Vorschlägen und wortgeschichtlicher Untersuchungen mit dem Begriff Menschenmaterial auch das "Unwort des 20. Jahrhunderts". Menschenmaterial kam zwar bereits im 19. Jahrhundert auf und spielte u.a. schon bei Karl Marx (1867) eine Rolle, hat aber im 20. Jahrhundert seine besonders zynische Bedeutung gewonnen, nicht zuletzt als Umschreibung von Menschen, die als Soldaten im 1. und 2. Weltkrieg "verbraucht" wurden. Dieser zeiten- und ideologienübergreifende Begriff steht exemplarisch für die weitgediehene Tendenz, Menschen nur noch nach ihrem "Materialwert" einzuschätzen. Bundespräsident Johannes Rau in seiner "Berliner Rede", Mai 2000: "Wer sich über die Untaten aus Fremdenfeindlichkeit empört, der darf die Unworte nicht überhören oder gar selber gebrauchen, die viel zu häufig die Runde machen. Unworte bereiten Untaten den Boden."
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